Schwestern im Einsatz

Wenn Eltern überfordert sind

Wenn Cornelia Raceks Handy klingelt, kann es ein Notfall sein: z.Bsp. ein Kind, dem die Eltern im dritten Monat Bratkartoffeln zu essen gaben und das nun schreit, weil es starke Koliken hat. „Die Eltern sind oft komplett überfordert mit ihren Kindern, wenn wir nicht wären, würden die meisten Kinder irgendwann bei Pflegefamilien landen“, sagen die beiden exaninierten Kinderkrankenschwestern Cornelia Racek und Birgit Boedeker. Zusammen mit Jessica Jannssen arbeiten sie als Dreier-Team im ambulanten Kinderpflegedienst. Sie werden vom Jugendamt oder von Ärzten zu Familien, Müttern und Vätern gerufen, die mit ihren Kinder alleine nicht klarkommen. Ihr Job ist ein Fulltime-Job, ständig auf Standby. Dabei ist ihr Ziel, die Eltern davor zu bewahren, dass die Kinder ihnen vom Jugendamt weggenommen werden.

Einen Fall gibt es, wo die Mutter 19 ist und der Vater ihres Kindes 61 und ihr eigener Stiefvater. „Oftmals sind die Familienverhältnisse so schwierig, das das Baby drunter leidet“, meint Frau Racek, „weil nicht mal die Eltern miteinander klarkommen. Da geht es oft um inzestuöse Beziehungen. Das ist auch für uns immer wieder schwierig, damit umzugehen. Aber auch diese Leute haben ein Recht auf Hilfe.“

Bei einer Mutter mit fünf Kindern von vier verschiedenen Männern ist Frau Racek schon seit drei Jahren: „Ich musste ihr zeigen, wie man Kinder badet, sie selbst hat die Kinder in die Wanne gesteckt und mit einer Drahtbürste bearbeitet. Seitdem haben alle Kinder nur noch schreiend das Badezimmer betreten. Ich habe ihr gezeigt, wie man ein Schaumbad macht, ein paar Spielzeuge in die Wanne packt und das Baden zu etwas angenehmen für die Kinder werden lässt.“

Die Eltern wollen ihre Kinder behalten, lieben und großziehen. Aber die Voraussetzungen hierfür sind oftmals nicht geschaffen. Die beiden Kinderkrankenschwestern on tour sind mehr als Krankenschwestern. Sie sind Sozialarbeiter, Pädagogen und Psychologen. Gehen mit den Familien schon mal zu Behörden, boxen dort Hartz-4-Anträge für sie durch oder schicken jene, die nicht schreiben und lesen können, zur Volkshochschule. „Wir erreichen viel bei Ihnen, die meisten sind sehr dankbar, dass wir da sind“, so Cornelia Racek. „Alleine würden sie es nicht schaffen, das wissen sie“, fügt Birgit Boedeker dazu.

Ein anstrengender Job, vor allem dann, wenn’s unter die Haut geht. „Es kommen schon die Fälle, wo man genau weiss, das Kind hat es nicht gut. Das hat dann zum x-ten Mal ein blaues Auge, ist grün und blau und wir wissen, das wird misshandelt. In diesem Fall müssen wir quasi aufgeben und das Jugendamt einschalten. Diese Kinder werden in letzter Instanz den Eltern weggenommen, wenn wir dem Jugendamt dazu raten. Diese Kinder kommen zu einer Pflegefamilie.“ „Das macht mich dann auch richtig fertig“, sagt Birgit Boedeker. Das Kind habe es zwar dort besser, aber es sei so ernüchternd, wenn alles nichts geholfen hat, was sie versucht haben. „Man hat dann auch ein bisschen das Gefühl, versagt zu haben.“

Die drei Krankenschwestern haben selbst Familie, Kinder. „Aber schon größere, anders ginge es nicht. Mit kleinen Kindern könnte man diesen Job nicht machen, da wäre zu wenig Abstand da“, meint Cornelia Racek.

Buch/Regie:
Susanne Brand

Produziert:
2006, WDR
45 min.


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