Wie schön es glitzert

25.09.2015




sueddeutsche.de


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Arte nähert sich in einer Dokumentation mit prominenter Besetzung der Illusionsmaschine Mode. Die zentrale Frage des Films bleibt aber leider unbeantwortet.

Von Anne Goebel

Ach ja, das Modevolk. Läuft sich die Hacken ab beim Schauenmarathon New York/Mailand/Paris, auch ein bisschen Berlin nicht zu vergessen. Alle hetzen von einem Laufsteg zum nächsten, dünn und hysterisch fasziniert von etwas, für das andere nur ein schnoddriges Wort haben: Klamotten. Soweit das Klischee, in dem, wie immer, einiges an Wahrheit steckt.

Insofern ist es in Ordnung, bei einem Film über die Welt der Mode auf erwartbare Bilder zu setzen. Die Arte-Produktion Wir sind Fashion! steigt genau so ein: Musik, Szenen von einem Londoner Event mit schönen Menschen. Der Schluss des Films: ein Appell für mehr ungebändigte Kreativität. Auch das ist eine alte Frage der Branche: Wie viel Konsum - und wie viel schöpferisches Wagnis? Und wenn man dazwischen einem wichtigen Szene-Paar auf dem Rücksitz eines Taxis zusehen kann, wie die beiden kurz vor dem Eintreffen bei einer Schau ernst in ihre Rollen schlüpfen, eine bestimmte Haltung annehmen, ist das nah dran an der großen Illusionsmaschine Mode.

Und doch löst der Untertitel der Dokumentation sein Versprechen nicht richtig ein: "Die neue Macht der Modeblogger" - das ist ein ganz eigenes Thema. Dass sich heute die Chefredakteurin der Vogue, Christiane Arp, ihren Einfluss und ihren Platz in der ersten Reihe mit Bloggern teilen muss, dass Instagram und mächtige Onlineshops unser Konsumverhalten prägen und vielleicht vereinheitlichen - der Film reiht diese Phänomene aneinander, anstatt sie für den Zuschauer schlüssig in Beziehung zu setzen. Mode ist ein Milliardengeschäft, das Wir sind Fashion! mehr glitzern lässt, anstatt es zu analysieren.

Und es sind, bei allem Respekt vor der Überredungskunst der Regisseurinnen Kira Pohl und Nicola Graef, zu viele Protagonisten, die sie sich vor die Kamera geholt haben. Die Magazinchefin und der Modekritiker, der stets undurchdringlich blickende Fashion-Manager Justin O'Shea und das Designerduo Talbot Runhof. Bei den jungen Berlinerinnen Nike van Dinther und Sarah Gottschalk, die einen der erfolgreichsten Modeblogs Deutschlands betreiben, hätte man sich mehr kritische Nachfragen gewünscht zu Kooperationen mit Luxusfirmen.

Etwas Anrührendes bekommt der Film in den Aufnahmen mit dem amerikanischen Streetstyle-Fotografen Scott Schuman. Ein einsamer Mann, immer mit rotgefrorener Nase unterwegs auf den Straßen, wo vielleicht gleich der verrückteste Look, die wirklich einmalig gestylte Großstadtpflanze um die Ecke biegt. Und wieder verschwindet. So ist das in der Mode, das Glück dauert oft nicht länger als einen Augenblick.

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