Der Geheimdiplomat Egon Bahr

Egon Bahr und Helmut Schmidt, zwei Männer, die Deutschland entscheidend geprägt haben. Im Büro des Alt-Bundeskanzlers in Berlin treffen sich die beiden charismatischen Männer und sind sich über eines ganz einig: früher hat man als Politiker Visionen gehabt, vom Krieg geprägt „sollte nie mehr das passieren, was passiert war.“ Heute dagegen gehe es um Karrieren.

Egon Bahr, einer der streitbarsten SPD Politiker Deutschlands wird 2012 neunzig Jahre alt. Menschen wie ihn gibt es in der deutschen Politik kaum mehr: engagiert, loyal und visionär hat er sich seinem Land immer verpflichtet gefühlt. Seine Meinung nach Umfrageergebnissen zu ändern, seinen Job einfach hinzuwerfen, um für die Wirtschaft zu arbeiten, das kommt in seinem Kosmos nicht vor.

Wie tickt ein Mensch wie Bahr, der Grand Senior der SPD? Wie hat man zu seiner Zeit Politik gemacht? Und wie unterscheidet sich seine Leidenschaft für Politik, seine Loyalität zu Willi Brandt von den Regierenden heute? Wie kommt es, dass man als Wähler früher wusste, wofür eine Partei steht und heute jeder für alles und am nächsten Tag wieder für nichts steht? Ist es ein reiner Werteverlust? Wie sieht sich Egon Bahr selbst im Kontext dieser Entwicklung? Wie sieht er die politische Bühne heute?

Diese Fragen will der Film mit der Biographie Egon Bahrs entschlüsseln. An diesen historisch wesentlichen Ereignissen wie Bahrs Vision eines wieder vereinigten Deutschlands und der Idee von Europa lässt sich auch das Politikerbild Bahrs ablesen: es ging ihm und seinen Kollegen immer um eine langfristige Lösung von Problemen, mehr um Inhalte und den Kampf für eine gesellschaftliche Vision. Bahr hatte immer Mitstreiter. Auch sie kommen im Film gemeinsam mit ihm ins Gespräch, wie Henry Kissinger oder der ehemalige russische Botschafter Valentin Michailowitsch Falin. Bahrs Frau, die Erziehungwissenschaftlerin Adelheid Bonnemann-Böhner ist heute seine wichtigste Begleiterin, bei seinen Auftritten und in seiner Freizeit ist sie ihm eine wichtige Gesprächspartnerin.

Der Film möchte weniger historisierend sein, als vielmehr den Menschen Bahr in den Vordergrund rücken, als Zeitzeugen für die Entwicklung deutscher Politik der Nachkriegszeit. Die einzelnen Ereignisse dienen demnach mehr als Folie für die Frage, wie damals Politik gemacht wurde und weniger als Einzelereignis der Historie. Wie haben diese wichtigen Momente Politik geprägt, wie haben sie Politiker verändert, wofür lohnt es sich heute noch in Fragen einer Gesellschaft der Zukunft, nachhaltig zu kämpfen, wenn man die Umwelt- und Klimapolitik außen vorlässt? Gibt es noch gesellschaftliche und politische Ziele, die so virulent sind, wie damals die Beendigung des Kalten Krieges und die Stabilisierung und Entwicklung Europas? „Ich sehe heute keinen Politiker in Europa mit einer Vision mehr.“ sagt Bahr.

Buch/Regie:
Nicola Graef

Produziert:
2012, ARD (WDR/MDR)
45 min.


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