Nochmal leben!

Die Zeit nach dem Selbstmordversuch

Maja B. ist 39 Jahre alt, Krankenschwester aus Lübeck. Ihre zehnjährige Tochter aus ihrer ersten Ehe lebt beim Vater in Süddeutschland. Im August 2002 lernt Maja ihre neue grosse Liebe kennen und zieht für ihn aus Greifswald nach Lübeck. Sie findet einen Job und zieht in Andreas Eigentumswohnung mit ein. Schon nach einigen Monaten merkt sie, wie eifersüchtig sie wird, wenn Andreas von anderen Frauen, z.Bsp. Kolleginnen erzählt. Sie fühlt sich fremd in der Stadt, klein, in ihrem Job unterfordert, frisst sich Kummerspeck an, nimmt 10 Kilo zu. Nach einem Jahr findet sie in Andreas Jackentasche eine Telefonnummer, ruft dort an, erfährt, dass Andreas mit dieser Frau ein Verhältnis hatte. „Da brach für mich eine Welt zusammen. Nicht nur das: ich wollte einfach nicht mehr, weil so klar wurde, was alles in meinem Leben nicht in Ordnung war“, erzählt sie heute reflektiert.

Mit der Nachricht, dass ihr Freund sie hintergeht, geht sie ins Schlafzimmer, zieht sich wie im Wahn ihr Hochzeitskleid aus erster Ehe an, trinkt auf dem Ehebett eine Flasche Wodka aus und stopft Tabletten in sich rein. Zwischendurch verletzt sie sich an irgendetwas, sie blutet aus einer Wunde am Arm. Im völligen Delirium ruft sie ihren Mann aus erster Ehe an und gesteht ihm, dass sie gerade versucht, sich umzubringen. Als die Feuerwehr die Tür aufbricht und sie im Schlafzimmer findet, ist das Hochzeitskleid voller Blut. Maja kommt ins Krankenhaus, erwacht am nächsten Morgen. Ihr Freund Andreas darf erst ein paar Stunden später zu ihr.

Heute kann Maja diese Dramatik in ihrem Leben nicht mehr wirklich nachvollziehen. Andreas und Maja, die noch ein halbes Jahr in therapeutischer Behandlung war, haben ihre Beziehung neu geordnet. Vor allem aber hat Maja ein neues Selbstbewusstsein erlangt, was ihr damals abhanden gekommen war. „Heute weiss ich, dass in dieser Zeit ein Mechanismus in Gang gesetzt wurde, der aus meiner Kindheit stammt, vor allem aus der Beziehung zu meinem Vater. Er hat mich nie wirklich so als Tochter akzeptiert, wie ich bin. Alles war auf Leistung gedrillt und ich wurde „nur“ Krankenschwester. Als ich erfuhr, dass mein Freund mich betrügt, wurde mir klar, dass ich alles für ihn aufgegeben hatte und nun nicht mehr toll genug für ihn war, da klinkte dann irgendwas aus, ich fühlte mich wie in einem Film“, erzählt Maja. Mit Andreas hat sie seitdem immer wieder geredet über alles, ihre Vergangenheit aufgearbeitet. „Vielleicht musste das alles passieren, damit wir wieder auf einen gemeinsamen Weg kommen“, sagen beide. Heute kann sich Maja nicht mehr vorstellen, nochmals ihrem Leben ein Ende bereiten zu wollen. Ich habe meine Probleme in den Griff bekommen, ich gehe mit einer anderen Sicht durchs Leben. Bald wollen Andreas und Maja auch heiraten.

Bei einer Statistik von 11.000 Suizidtoten pro Jahr ist die Dunkelziffer derjenigen, die es zusätzlich versuchen, enorm hoch: Man geht von 120.000 Suizidversuchen pro Jahr in Deutschland aus, die sich aufteilen in zwei Gruppen: Suizidgefährdete, die es immer wieder versuchen und solche, bei denen es eine einzige Kurzschlusshandlung ist. Doch auch hinter den spontanen ad-hoc-Fällen steckten komplexe Hintergründe. Warum geht ein Mensch bis an die äußerste Grenze? Fast immer stecken viele verschiedene Faktoren dahinter, die mitunter bis in die Kindheit zurückgehen. Diese Hintergründe möchten wir anhand zweier Fallbeispiele aufspüren und verfolgen, wie es zu einem Gefühl von Aussichtlosigkeit kommt und dieses nach dem Suizidversuch aber wieder in positive Energie und neuen Lebensmut umgewandelt wird.

Buch/Regie:
Nicola Graef, Susanne Brand

Produziert:
2006, ZDF
30 min.


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