Der absolute Hummer

Die Delikatesse von Novia Scotia als Alltagsgericht

Kraftvoll und routiniert streckt Alain C. seine Arme durch die Reusen des Käfigs und greift zu. Aus dem Wirrwarr von Zangen, Fühlern und Beinchen schnappt sich der Seemann ein kiloschweres Hummerweibchen. Wie einen Pokal hält er sich dann das Tier über dem Kopf und lächelt mit einem breiten Grinsen. Während er kurz darauf das lebende Anschauungsobjekt wieder im Meer verschwinden lässt, bekommt jeder Gast einen bereits gekochten Hummer vorgesetzt. „Now, it’s getting juicy“, warnt Alain sein Publikum. Er zeigt, wie man das Tier fachgerecht zerlegt und an das kostbare zarte Fleisch innerhalb des Panzers kommt. Er wirft den Kopf in den Nacken und schlürft genüsslich ein Beinchen aus. Einen Tisch weiter spornt Alain seine Lehrlinge an, selbst Hand anzulegen. Jeder erhält einen eigenen Hummer, Schürze und das passende Werkzeug. Es herrscht äusserste Konzentration. Schliesslich klappt der Umgang mit der Hummerzange und mit fondueähnlichen Gabeln wird das Fleisch aus den geknackten Panzern gezogen.

Die Hummer vor der neuschottischen Küste in Ostkanada sind die größten und geschmackvollsten der Welt. Bis zu 70cm lang werden sie hier und neun Kilo schwer. Der Hummer wird hier nicht nur gegessen, er wird geradezu verehrt und ist ebenso wesentlich für den Charakter der Atlantikprovinz Nova Scotia wie die Kraft des Meeres und die junge europäische Geschichte des Kontinents.

Trotz des kühlen und sehr nähstoffreichen Meerwassers sind auch die Gebiete um Nova Scotia von der Ìberfischung betroffen. Hinzu kommen Kosten für Lizenzen und Unterhalt für das Boot. Bis zu 400.000 kanadische Dollar muss ein Hummerfischer hinblättern, um in einem der sorgfältig überwachten Fanggründe auf Jagd gehen zu können. Die Lizenzen werden wie ein Schatz gehütet und von Generation zu Generation vererbt. Die Hummerfischer von Nova Scotia gehören zu den Wohlhabenden der kleinen Provinz. Zwar sind sie aufgrund der Begrenzung der Fanglizenzen weniger geworden in den letzten Jahren, aber für die wenigen ist das Geschäft trotz kurzer Fangsaison lukrativer geworden. Sie holen aus dem Meer immer mehr Hummer raus, weil es immer mehr Hummer hier gibt. Dies wird passieren, solange es geht. Doch die Meeresforscher warnen auch hier vor dem Zusammenbruch der kommerziellen Fischerei.

Viele ehemalige Hummerfischer sind deshalb heute im Tourismus tätig. Dabei gilt der Hummer eindeutig als das Aushängeschild der Region. Alle bieten ihn an, noble Restaurants in noblen Rezepten und anständigen Preisen , aber auch Fastfoodketten wie McDonalds oder Subway bieten für ein paar Dollar Burger und Sandwiches mit Hummerfleisch an. Kaum eine Ortschaft lässt sich passieren, ohne dass man auf überproportionale Werbeschilder in Form der roten Krustentiere stösst.

Buch/Regie:
Susanne Brand

Produziert:
2008, ZDF/arte
45 min.


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