Gysi, so what?

14.01.2018




Der Tagesspiegel


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Von Matthias Meisner

Kurz vor dem 70. Geburtstag von Gregor Gysi zeigt der MDR eine Dokumentation über den Linken-Politiker. Eine kritische Würdigung bleibt aus. Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dass Gregor Gysi wirklich in der Bundesrepublik angekommen ist, dann liefert ihn Wolfgang Schäuble hier – in einer Fernsehdokumentation des MDR über den Linken-Politiker, die an diesem Sonntag ausgestrahlt wird, zwei Tage vor Gysis 70. Geburtstag. Die Passage dreht sich um die schier endlose Geschichte um Stasi-Vorwürfe gegen Gysi. Und CDU-Mann Wolfgang Schäuble, der langjährige Bundesminister und aktuelle Bundestagspräsident, sagt: „Irgendwas bleibt an der Geschichte dunkel. Aber, so what?“

„Gysi“ heißt die Dokumentation von Nicola Graef und Florian Huber. Und schon dieser Titel wurde mit Bedacht gewählt, denn es geht im 90-Minuten-Porträt nicht nur um Gregor Gysi selbst, sondern um seine ganze Familie – so ausführlich wie nie, seit der Journalist Jens König vor Jahren Gysi und seiner illustren bürgerlichen, linken und zum Teil jüdischen Verwandtschaft ein ganzes Buch gewidmet hatte. Damals sperrte sich Gysi gegen das Projekt Königs, diesmal ließ er sich auf eine Kooperation ein: alte Foto- und Filmaufnahmen, für die tief in Archiven gegraben wurde. Die ausführliche Vorstellung seiner Eltern und vor allem seines Vaters Klaus, der in der DDR Kulturminister war. Gespräche mit seiner Schwester Gabriele, die nach einer Kontroverse mit dem System vor der Wende aus der DDR in den Westen übersiedelte.

Wirklich gut verlieren kann Gysi nicht Mit seiner inzwischen 21-jährigen Tochter Anna aus der zweiten (und inzwischen ebenfalls geschiedenen) Ehe mit der ehemaligen Hamburger PDS-Bundestagsabgeordneten Andrea Lederer lässt er sich beim gemeinsamen Minigolf-Spiel beobachten. Und der Zuschauer erfährt, was er schon ahnte: dass Gysi gern mit hämischem Lachen darüber hinwegtäuscht, dass er nicht wirklich gut verlieren kann. Aber hat er überhaupt verloren, leidet er an seinem Rückzug auf Raten? Die Filmemacher haben für ihre Dokumentation vor allem jene Zeugen versammelt, die dem Protagonisten inzwischen Respekt zollen. Als „Popstar“ preist ihn Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen. Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert glaubt sogar, dass die Linke ohne Gysi gar nicht mehr im parlamentarischen System präsent wäre. Der sozialdemokratische Altkanzler Gerhard Schröder schließt seinen Frieden mit dem Linken, der doch eigentlich ein guter Sozialdemokrat sei. Und sein alter Freund und Anwaltskollege, der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizi&egravere, lästert über die Eitelkeit Gysis – aber auch das ist liebevoll gemeint. Härtester Kritiker von Gysi im Film ist Stephan Hilsberg, Gründer der sozialdemokratischen SDP in der DDR. Einer von früher und eine Einzelstimme im Film.[...]

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