Daheim bei Puffdaddy
22.07.2014
SPIEGEL ONLINE
back to selection
Von Anja Rützel
Wie kann eine Ehe funktionieren, wenn man zusammen einen der schicksten Amüsierclubs des alten West-Berlins führt? Wenn man einen Partner hat, der es mit der Treue eher lax hält und stets von Frauen mit freiem Oberkörper umgeben ist? Die ARD-Doku "Das Bel Ami" hat eine Antwort: nicht so gut. Die hilfreiche Ehefrau kümmert sich um die kalte Platte. Simone Uhlmann drapiert Schinken auf die Schenkel der nackten Frau, die vor ihr auf der Anrichte liegt, appliziert Blüten mit einem Klacks Cremespeise auf den Brustwarzen, richtet ein Kräutersträußchen im Schritt - so wurde angerichtet im "Bel Ami", ehemals vom "Playboy" als Deutschlands "edelster Nachtclub" ausgerufen. Seit Ende der Siebzigerjahre führte Simones Ehemann Detlef Uhlmann, heute 72 Jahre, den Club im Berliner Westend, bis er 2009 wegen Steuerhinterziehung in Höhe von vier Millionen Euro ins Gefängnis musste. In ihrer Dokumentation "Das 'Bel Ami' - eine Ehe im Rotlicht" (produziert vom RBB und SWR) erzählt Nicola Graef den Niedergang des mit heutigem Blick sonderbar aus der Zeit gefallenen Amüsierclubs und das gleichzeitige Scheitern der Uhlmann-Ehe - wobei es nur wenig Abstraktionsvermögens bedarf, um zu sehen, wie diese Beziehung auch in weit bürgerlicheren Verhältnissen hätte zerbrechen können. Der überschaubare Erkenntnisgewinn: Zu großes Kräftegefälle zwischen den Partnern sowie unterschiedliche Auffassungen von Treue tun keiner Beziehung gut - egal, ob die Beteiligten nun Nachtclubbetreiber oder Kindergärtner sind.
Rolf Eden hechelt noch heute
Unterhaltsam ist die Sendung, wenn Rückblenden aus den Glanzzeiten des "Bel Ami" erzählen, von den goldenen Adlern und lila Laken der Berliner Achtzigerjahre-Partygrandezza. Helmut Newton fotografierte die Belegschaft - "Detlef und seine Schönen" -, Discogreis Rolf Eden (mit dem sich Uhlmann die offenbar berufstypische blondierte Topffrisur teilt) hechelt noch heute bei der Erinnerung an die seinerzeitigen Champagnerumsätze. In seliger Nostalgie erzählt Uhlmann von arabischen Prinzen, die den ganzen Laden mieteten, und einem Adligen mit Spezialinteressen, der dort tagelang Wettbewerbe wie "Wer hat den schönsten Popo?" abhielt. Stilvoll sei es zugegangen im "Bel Ami", sind sich alle Zeitzeugen einig, keine Zuhälterei, kein Menschenhandel, die Frauen im Abendkleid statt in gürtelbreiten Animierfummeln. Zu diesem Schmuddelschwulst passt die zunächst auf verquere Art wildromantische Kennenlerngeschichte der Uhlmanns: Sie ist die Tochter eines Schulfreunds, die er aus der DDR über Prag in den Westen holt - indem er sie so extrem als Prostituierte aufrüscht, dass sie es mit den Ausweispapieren einer Bel-Ami-Dame durch die Grenzkontrolle schafft. Erst in Berlin angekommen, beim ersten Besuch im "Bel Ami", begreift sie, woher all der Reichtum ihres Mannes tatsächlich kommt: "Der erste Eindruck war schon einmal: schluck!" Doch sie arrangiert sich, genießt die Luxusgaben ihres Mannes, wird - unantastbare - Barfrau. Und erfährt erst nach Jahren, dass ihr Mann sie regelmäßig betrügt. Nicht nur die Ehe bröckelt daraufhin. Auch das Koksen, Trinken und dazu erste Razzien, die die prominenten Kunden verscheuchen, kratzen am "Bel Ami"-Image. Dann zeigt ein Mitarbeiter Detlef Uhlmann wegen Steuerhinterziehung an; er kommt in den offenen Vollzug, flieht nach Thailand - und stellt sich nach ein paar Tagen, weinend, im senffarbenen Anzug. Die Protzvilla wird zwangsversteigert, das "Bel Ami" verpachtet. Was schließlich vor der Kamera bleibt, wenn all die überladenen Requisiten weggeräumt sind: Ganz gewöhnliche, bürgerliche Ehetrümmer. "Er ist halt ein Egoist", sagt die Noch-Ehefrau, nie habe er nachgedacht, ob er mit seinem Verhalten anderen wehtut. Seit ihrem zweiten Kind habe sie sich immerzu abhängig gefühlt, weil er sie stets spüren ließ, wer hier für die goldenen Wasserhähne und die Protzautos sorgte. Simone Uhlmann rafft sich zusammen, pachtet einen Gasthof, besucht ihren Mann regelmäßig im Gefängnis, im Herzchenpulli, auch, als sie ihn längst nicht mehr liebt. Er will nach der Entlassung zurück ins Milieu, salbadert noch von längst vergangenen Saunaabenden mit der Mannschaft von Hertha BSC und Badewannen voller Schampus. Sie dagegen will den schicken Schmuddel hinter sich lassen.
Nach eineinhalb Jahren wird Uhlmann vorzeitig entlassen, versucht sich kurz an einer Neuauflage des "Bel Ami" und heuert dann, mit über siebzig Jahren, wieder in seinem gelernten Beruf an: als Kapitän auf einem Ausflugsschiff. Er träumt davon, in Thailand als Tennistrainer neu zu starten - oder dort eine Eisdiele zu eröffnen.
Von Champagner allerdings bekommt er inzwischen schlimmes Sodbrennen.
back to selection