37°: Nochmal leben!
04.04.2006
Tz München
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Wie eine Münchnerin nach einem Suizidversuch ihr Leben meistert Ìber 25 Jahre waren sie ein Paar. Sehr glücklich. Es ist die große Liebe, für beide. Dann stirbt Walther an Krebs (46). Für Jutta Lundz bedeutet das nicht weniger als das Ende. Das Ende auch ihres Lebens. Sie sieht keinen Sinn mehr. Was soll das alles noch – ohne Walther. An seinem Sterbebett beschließt sie, sich umzubringen. „ Als ich da saß, im Krankenhaus, da wußte ich, ich komme bald zu ihm“, erinnert sich die Münchnerin. Sie nimmt Tabletten. Ìber 80 Stück. Doch der Suizid-Versuch mißlingt. Ihr Neffe findet sie, alarmiert den Krankenwagen, rettet sie. In der heutigen 37°-Reportage Nochmal leben! Und in der tz erzählt Jutta Lunz, wie es ihr seither geht. Es war nicht die Sehnsucht nach dem Tod, die sie in den Suizid getrieben hat, sagt sie. „Es war die Sehnsucht nach Walther. Als er ging, war es, als hätten sie mir das Herz und die Seele amputiert.“ Sie organisierte noch seine Beerdigung. Regelte alles. Damit die Kinder – Walther hatte eine Tochter und einen Sohn aus einer früheren Beziehung – versorgt sind. Sie schrieb einen Abschiedsbrief. „Das war keine Kurzschlußreaktion“, sagt sie. Sie hat sich entschieden, in aller Ruhe. “Der Moment, in dem ich dann, nach meinem Suizidversuch, wieder zu mir kam, war furchtbar schlimm.“ War sie ihrem Neffen denn nicht dankbar; daß er ihr die Chance auf ein Weiterleben gegeben hat? „Nein“, meint sie. Ich würde es ihm nie sagen. Aber dankbar bin ich ihm nicht. Ich hätte mir gewünscht, daß er mich nicht findet.“ Ein normales Leben kann Jutta Lunz seitdem – ihr Selbstmord liegt ein halbes Jahr zurück – nicht mehr führen. Sie hat versucht, wieder zu arbeiten. Im Außendienst eines Verlages. Da, wo sie vorher mit Walther zusammen beschäftigt war. Aber es geht nicht. „Ich pack’s noch nicht“, sagt sie. Obwohl Kollegen und Freunde sie unterstützen und Rücksicht nehmen. Sie hat einen 400-Euro-Job angenommen und erhält einen Zuschuss vom Landratsamt. So kommt sie einigermaßen über die Runden – finanziell jedenfalls. Einmal pro Woche geht sie zum Psychologen. Mit ihren Stiefkindern kann sie über das, was geschehen ist, nur sehr eingeschränkt reden. „Ich will sie nicht belasten mit meiner Geschichte.“ Dabei hat sie durchaus auch Momente, in denen es ihr gutgeht. Wenn sie mit ihren Enkeln Schlittschuh fährt. Oder wenn sie bei Freunden zum Geburtstag eingeladen ist. Aber so richtig im Leben angekommen ist Jutta Lunz noch nicht wieder. Sätze wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ klingen in ihren Ohren wie blanker Zynismus. Ob sie jemals wieder glücklich sein wird, kann sie nicht sagen. „Es gibt Zeiten, da kann ich meine Trauer kontrollieren. Da erlebe ich schöne Momente.“ Aber im selben Moment holt sie die Realität ein und sie weiß: „Es ist nicht mehr da. “Das ist jedes Mal ein neuer Stich ins Herz. Eines Tages doch zu gehen, selbst entscheiden, wann sie nicht mehr will, diese Option hält sie sich offen. “Das brauche ich“, sagt sie, „um zu leben.“ (Stefanie Thyssen)
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