Über die Systemgrenzen hinweg
26.09.2020
Weser Kurier, Andreas Schoettl
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Sa. 03.10. - ARD: 16.45 Uhr „Wettlauf ins All - Zwei Deutsche erobern den Kosmos“
Viele Menschen im Westen wissen es bis heute nicht: Der erste Deutsche im Weltraum kam aus der DDR. Zum Tag der Deutschen Einheit dokumentiert die ARD den „Wettlauf in All“ zwischen Sigmund Jähn und seinem damaligen BRD-Konkurrenten Ulf Merbold.
Es war wie ein Paukenschlag. Oder wie es die Zeitung „Neues Deutschland“, das ehemalige Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), am 27. August 1978 in einer Sonderausgabe verkündete: „Der erste Deutsche im All - ein Bürger der DDR“. Ein Tag zuvor war Sigmund Jähn der Griff zu den Sternen gelungen. Insgesamt 125-mal umkreiste der Kosmonaut aus dem sächsischen Vogtland in einer sowjetischen Raumstation die Erde. Nach acht Tagen landete er durchaus ruppig wieder in der kasachischen Steppe. Jähn zog sich dabei eine Wirbelsäulenverletzung zu.
Mit Jähn im All feierte die damalige DDR ihren ganz eigenen Triumph über den Systemgegner. In dieser Bundesrepublik Deutschland hingegen saß derweil ein anderer in den Startlöchern: Ulf Merbold. Auch er sollte in den Weltraum entsendet werden. Jähn kam dem Westdeutschen zuvor. Nicola Graef und Florian Huber erzählen in ihrem Film über den deutsch-deutschen „Wettlauf ins All“ eine ganz eigene Geschichte angeblicher Konkurrenz über unterschiedliche Systeme hinweg. Im Rahmen des Schwerpunktthemas „30 Jahre Deutsche Einheit“ zum 3. Oktober ist er nun im Ersten zu sehen.
Es wäre wohl nachvollziehbar gewesen, wenn Merbold wegen seiner „Niederlage“ gegenüber Jähn damals enttäuscht oder gar ernüchtert reagiert hätte. Doch der Astronaut, der im November 1983 dann als erster Westdeutscher den Weltraum erreichte, meinte dazu nur: „Den Mann muss ich kennenlernen.“
Zwischen Merbold und dem im September vergangenen Jahres verstorbenen Jähn entwickelte sich so eine außergewöhnliche Freundschaft. Sie überdauerte den Kalten Krieg, den Mauerfall und wurde zu einer erfolgreichen Vereinigungsgeschichte. Vor allem die Bescheidenheit beider Sternenflieger bildete das Fundament ihrer langjährigen Beziehung. Oder wie Jähn es einmal sagte: „Zum Volkshelden wollte ich mich nicht machen lassen. Im Rampenlicht zu stehen, fand ich anstrengender als die Reise ins All.“
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