Fragwürdige Dachmarke

18.04.2020




Leipziger Volkszeitung


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Eine Dokumentation untersucht das Phänomen der Neuen Leipziger Schule – am Sonntag ist sie im MDR zu sehen


Von Leipzig kommt die in Berlin lebende Nicola Graef irgendwie nicht los. Ihr Film über Neo Rauch, „Gefährten und Begleiter“ (Sonntag, 23.55 Uhr im MDR), kam 2017 in die deutschen Kinos. Dann befasste sie sich mit Rauchs Lehrer, dem Künstler Arno Rink (1940–2017), und mit dem Galeristen Gerd Harry Lybke. Erst am Montag lief im MDR ihr Beitrag über die Leipziger Spinnerei. Am Sonntag um 22.30 Uhr zeigt der Sender ihren Film über die so genannte Neuen Leipziger Schule. „Uns ist aufgefallen, dass es noch keinen Dokumentarfilm gibt, der sich umfassend mit dem Phänomen beschäftigt“, sagt Graef. Die Dachmarke, sie war irgendwann plötzlich da, und der Motor dahinter war Gerd Harry Lybke. Von ihm ist der schöne Satz überliefert, dass Leipzig der einzige Ort gewesen sei, an dem niemand mitbekommen habe, dass die Malerei längst für tot erklärt wurde. Er brachte sie in die Welt. Und dann kam die Welt nach Leipzig, und riss den Galeristen die Werke aus den Händen – Lybke hatte Leonardo DiCaprio, Brad Pitt oder Dustin Hoffman am Telefon; sie alle wollten Kunst von diesen Leipzigern. Es muss ein Rausch gewesen sein, von dem die Künstler profitierten, der sie gleichzeitig irritierte. Der Film von Nicola Graef untersucht die Matrix dieses Allzeit-Hochs für Kunst. Und lässt Protagonisten zu Wort kommen, unter anderem Tilo Baumgärtel, Hans Aichinger, Rosa Loy, Miriam Vlaming, Michael Triegel, Katrin Heichel und Neo Rauch. Der Blick geht zurück auf die eigentliche Leipziger Schule mit Tübke, Heisig und Mattheuer, die mittlere Generation mit Arno Rink und Sighard Gille – und ins Heute, in das „Nest“ der Kunst in Leipzig, die HGB. „Wichtig war es für mich auch, den Begriff der Neuen Leipziger Schule zu problematisieren“, so Graef. Natürlich sei er zu allererst ein Label für den internationalen Markt gewesen – hinter dem es viel Verschiedenheit gab. Doch es gebe auch etwas, das in Leipzig sehr besonders sei: Loyalität und Ernsthaftigkeit, ein Interesse an der Genauigkeit und der Poesie der Sprache. „Es gibt hier nicht diesen Oberflächenrausch wie in Berlin.“ Und wann zieht sie also nach Leipzig? „Das frage ich mich ständig ...“ Sonntag, 22.30 Uhr, MDR

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