Zum Todestag Doku über den Maler Jörg Immendorff

29.05.2008




HAMBURGER MORGENPOST


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CHRISTOPH PETERSEN

Der Porträtierte: Er war das Enfant terrible der deutschen Kunstszene. Bis zu seinem Tod am 28. Mai 2007 provozierte und polarisierte Jörg Immendorff mit seinen Werken und seiner Art wie kaum ein anderer. 1945 in Bleckede bei Lüneburg geboren, studierte er unter Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie. Der endgültige Durchbruch gelang Ende der 1970er Jahre mit der Bilderserie "Café Deutschland", in der Immendorff gemeinsam mit seinem ostdeutschen Kollegen A. R. Penck die deutsch-deutsche Frage thematisierte. 1984 begann mit der Ìbernahme des Hamburger Kiez-Etablissements "La Paloma" die Dandy-Phase des exzentrischen Malers. Seit 1997 litt Jörg Immendorff an der heimtückischen Nervenkrankheit ALS. In seinen letzten Lebensjahren, in denen er Arme und Beine nur noch sehr eingeschränkt benutzen konnte, mussten deshalb streng überwachte Assistenten die Visionen ihres Meisters auf die Leinwand bringen.

Die Regisseurin: Nicola Graef hat Immendorff zwei Jahre lang bis zu seinem Tod mit der Kamera begleitet. Allerdings ist ihre Dokumentation keine geschönte Grabrede oder verklärte Huldigung. Vielmehr beleuchtet die Filmemacherin alle Seiten ihres Protagonisten gleichermaßen: Schon in einer der ersten Szenen wird gezeigt, wie Immendorff, der Professor, einen hoffnungsfrohen Kunststudenten vor versammelter Mannschaft und ohne jeden Anflug von Feingefühl niedermacht. Später sieht man dann, wie liebevoll und fürsorglich Immendorff, der Vater, mit seiner sechsjährigen Tochter Ida umgeht - auch wenn er sie wegen seiner Krankheit nicht mehr in den Arm nehmen kann. So bleibt am Ende nicht nur ein einzelnes Bild des Menschen Immendorff hängen: Die zum Teil sogar gänzlich entgegengesetzten Eindrücke verbinden sich stattdessen zu einem ambivalenten Ganzen.

Fazit: Kein glattgebügelter Nachruf, sondern ein lebendiges Porträt mit Ecken und Kanten.

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