Dokumentarfilm: Ich. Immendorf
30.05.2008
Zitty Berlin
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Er sitzt bewegungslos in seinem Atelier. Eine Gruppe junger Studenten arbeitet stumm und konzentriert an riesigen Gemälden unter seiner wachsamen Aufsicht. Herrisch kommentiert er jeden Arbeitsschritt, kein Fehler bleibt unentdeckt, Unsicherheiten werden genervt abgewiegelt. Die Zeit scheint zu rennen, sein graues Gesicht ist gezeichnet von einer fast unerträglichen Angespanntheit. Der regungslose Mann ist Jörg Immendorff, und seine Krankheit heißt ALS. Nur noch wenige Monate und seine Muskeln werden vollkommen versagen. Doch dies ist kein Grund für den Maler, seine Arbeit zu beenden. Er rekrutiert seine Umwelt, die er wie Marionetten führt, um seine letzten Visionen zu gestalten und seiner Nachwelt etwas von sich zu hinterlassen. Regisseurin Nicola Graef beobachtet auf eindringliche Weise den teilweise beklemmenden Kampf des bekannten Chronisten Deutschlands, der einst in den 60er Jahren aus Protest die „Lidl“-Akademie gründete und nun sichtlich an für ihn unbekannte Grenzen stößt. Durch seinen eigenen Körper. Doch neben den leidvollen Momenten scheint sein Leben durch die Krankheit auch bereichert. Er reflektiert dadurch mehr über sein Leben und Werk. Immendorffs Oeuvre verändert sich, die Themen verschieben sich immer öfter in den privaten Bereich. Seine Familie und die Ehe mit der fast 30 Jahre jüngeren Künstlerin Oda Jaune werden immer wichtiger. Die Kamera ist dabei, wenn Künstlerkollegen und Freunde ihn besuchen und Abschied nehmen. Die engsten Mitmenschen wie Ehefrau und Mutter kommen zu Wort und beschreiben das Leben mit der neun Jahre währenden Krankheit. Langsam und mit ruhigen, beobachtenden Bildern entfaltet sich eine berührende Hommage an den Künstler, der sein Leben als ewigen Kampf mit der Einsamkeit resümiert und dabei wohl selten in seinem Leben wirklich allein war.
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