Elternparadies Die zitternde Frau: Ein Porträt über Siri Hustvedt

20.03.2010




Frankfurter Allgemeine


zurück zur Auswahl


Sophies Welt war voller Bücher. Und so begann sie – mit dem Singen. Sophie ist die Tochter von Paul Auster und Siri Hustvedt, und dass sie, wenn sie schriebe, immer an den Eltern gemessen würde, war ihr klar; sieht man sie nun im Wohnzimmer der beiden sitzen und selbstvergessen singen, kann man nur feststellen: alles richtig gemacht. Sophie ist eine außergewöhnliche hübsche Frau von zweiundzwanzig Jahren, und wenn sie mit ihrer Mutter durch Brooklyns Blumenläden schlendert, sieht das aus wie aus einem Werbefilm für New York. Ìberhaupt, die Mutter: Ìber sie redet Sophie nur lächelnd, dankbar, liebevoll: „Absolute Hingabe und Fürsorge“ sei die Grundlage ihrer Erziehung gewesen. Jeden Tag, vom zweiten bis zum dreizehnten Lebensjahr, habe ihr die Mutter zwei Stunden lang vorgelesen. Die Liebe zur Literatur hat sich Sophie bewahrt. Die Arbeit damit haben weiterhin die Eltern. Ein Film, der Siri Hustvedt porträtiert, muss auch ihre Familie porträtieren., denn der Alltag mit ihr ist Hustvedts „Paradies“, wie sie sagt. Das Gelingt Nicola Graefs Dokumentation „Mein Leben – Siri Hustvedt“, denn die Schriftstellerin gewährt der Filmemacherin Einblicke in ihre Wohnung, ihren Alltag, ihr Innerstes. Allerdings erfährt der Zuschauer nichts über das Thema, das Hustvedt in ihrem im Januar 2010 erschienenen Buch verarbeitete. „Die zitternde Frau. Eine Geschichte meiner Nerven“ arbeitet ein Ereignis auf, das Hustvedt zutiefst verunsicherte (F.A.Z. vom 20. Februar): Bei einer Gedenkrede auf ihren drei Jaher zuvor verstorbenen Vater bekommt sie einen Zitteranfall. Niemand wusste, warum, und Hustvedt begann, Antworten zu suchen. In Graefs 2009 gedrehten Porträt spricht sie zwar von ihrem großen Interesse an neurologischen und allgemeinmedizinischen Fragen; doch über sich selbst sagt sie in der Sache wenig. So würde man sich wünschen, das Porträt wäre länger als 45 Minuten geworden und würde auch die schweren Zeiten in Hustvedts Leben so sympathisch und unaufdringlich ansprechen, wie es sich etwa der Ehe mit Auster und dem Schreiben nähert.
Auch Auster ist voll des Lobs über seine Frau, die ihn 1982 bei einer Lesung zum ersten Mal sah und gleich den schönen Mann in der Lederjacke kennenlernen wollte; zum Glück konnte ein Freund vermitteln. Schnell verliebte und verheiratet man sich, und davon, dass bei der Hochzeit das Geld so knapp war, dass alle Gäste ihr Essen selbst bezahlen mussten, erzählt Auster höchst amüsant. Freunde der Familie wie Salman Rushdie kommen zu Wort, ebenso Hustvedts Mutter, die von den Schwierigkeiten norwegischer Einwanderer in der amerikanischen Provinz, Minnesota nämlich, erzählt. „The Hustvedt Girls“, wie die vier blonden Schwestern um Siri genannt wurden, hatten es nicht leicht – New York erwies sich nach der Schulzeit als rettender Melting Pot. Dass die Autorin spätestens bei ihrem 2003 veröffentlichten Roman „Was ich liebte“ aus dem langen Schatten ihres Mannes hervortrat, war höchst verdient. Und Auster ist, ausgleichende Gerechtigkeit, in diesem Film nur „der Ehemann von Siri Hustvedt“. fhau.

zurück zur Auswahl