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09.03.2011
Frankfurter Allgemeine
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Eindrucksvolles Porträt: "Tod einer Richterin - Auf den Spuren von Kirsten Heisig"
(...) Mit ihrem Film "Tod einer Richterin" versuchen Nicola Graef und Güner Balci noch einmal, dieses ungewöhnliche Projekt zu rekonstruieren. Sie verzichten darauf, über die Hintergründe des Todes der Richterin zu spekulieren, den erst eine gerichtlich erzwungene Offenlegung der Obduktionsprotokolle Monate später tatsächlich als Suizid erklärte. Aus den Berichten von Freunden, Kollegen und Mitstreitern und mit Archivaufnahmen formen sie stattdessen das eindrucksvolle Porträt einer ungewöhnlichen Juristin, die gegen ein System angetreten war, dass Einmischungen in eigener Sache nicht will.
"Sie hat jeden, egal was er getan hat, in den Arrest gesteckt", sagt der junge Gibran, der zwar das Vokabular der Sozialtherapeuten beherrscht, aber sich an seine Straftaten nur mühsam erinnern kann. Er habe eben so alles gemacht, von Hausfriedensbruch bis Waffenbesitz, sagt er lakonisch. Jene, die Jungen wie Gibran umerziehen sollen, fühlten sich von Heisig gestört und kontrolliert. Die Richterin sei zu ehrgeizig gewesen, findet ein Mitarbeiter des sogenannten Stop-Projektes, einer Unterfirma der hochumstrittenen Berliner Treberhilfe. Ihr Engagement sei über das Erlaubte hinausgegangen, da habe sie sich nicht nur Freunde gemacht. Was das genau gewesen ist, sagt er nicht. Er zeigt für das Unbehagen seiner Klientel, die sich "ungerecht" behandelt fühlte und richterliche Intervention als Einmischung empfand, mehr Verständnis, als man sich vorstellen will. Sie dachte wohl, sie sei Gott, sagt Gibran, der Schützling, später: "Wir haben sie gehasst, sie war einfach schlimmer als der Teufel."
(...) Sie ging dorthin, woher ihre Angeklagten kamen, und fand Verbündete. Den Psychologen Kazim Erdogan zum Beispiel, über dessen Vätergruppe sie Kontakte zu den Familienvorständen knüpfte. Autoritäten, sagen Graef und Balci, die noch Einfluss auf diese verlorenen Söhne haben und die immer noch um Kirsten Heisig trauern. Respektvoll spricht ein Mann von dieser "Richterin im hohen Amt", die Einzige, die zu ihnen kam und der sie glaubten, dass sie an diesen Verhältnissen litt.
Über Kirsten Heisigs privates Leben ist wenig bekannt, sensibel und diskret fließen diese Informationen ein in das Bild von der Frau, die sich ganz offensichtlich verausgabte und die ihre innere Not vor allen, vor Freunden und Kollegen, verbarg. Der Film lässt offen, ob sie das so wollte oder ob das System, dessen Langmut und borniertes Ressortdenken die Richterin besiegen wollte, sie mit zerstört hat. (...)
REGINA MÖNCH
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